Vogel-Azurjungfer

Coenagrion ornatum

SELYS, 1850

 

Hinweise zur wissenschaftlichen Nomenklatur: „Coenagrion“ stammt vermutlich von „koinos“ (gr.) = gemeinsam und „agrion“ von „agrios“ (gr.) = auf den Feldern lebend. Begründung: Vor und nach der Paarung fliegen die Pärchen gemeinsam umher. Auch die Eiablage vieler Arten erfolgt gemeinsam, da das Männchen an das Weibchen angekoppelt bleibt. „ornatum“ stammt von „ornatus“ (lat.) = geschmückt, zierlich, schön. Der deutsche Artname bezieht sich auf die Zeichnung auf der Oberseite des 2. Hinterleibssegmentes der Männchen, dass an einen Vogel mit erhobenen Flügeln erinnern soll.

 

Ein Pärchen der Vogel-Azurjungfer, Coenagrion ornatum. Oben das Männchen.
Ein Pärchen der Vogel-Azurjungfer, Coenagrion ornatum. Oben das Männchen.

 

Die Vogel-Azurjungfer erreicht eine Körperlänge von 31 Millimetern und eine Flügelspannweite von bis zu 48 Millimetern. Damit ist sie etwas kleiner als die häufig vorkommende Hufeisen-Azurjungfer, Coenagrion puella. Wie alle Libellen aus der Familie der Azurjungfern ist auch diese Art kräftig blau-schwarz gefärbt.

 

Die Vogel-Azurjungfer kann leicht mit der Fledermaus-Azurjungfer oder der Helm-Azurjungfer verwechselt werden, mit denen sie vergesellschaftet lebt. Die Art ist jedoch robuster gebaut als die zuletzt genannten.  

 

Die auffällige Zeichnung auf dem 2. Hinterleibssegment der Männchen, die einen Vogel mit aufgerichteten Flügeln darstellen soll, gab ihr ihren deutschen Artnamen. Auf den Segmenten S3 und S4 befinden sich am unteren Rand schwarze Flecken, die sich  nach oben lanzettförmig zuspitzen.

 

Die Weibchen sind etwas dunkler gefärbt als die Männchen. In den ersten Tagen erscheinen sie in einem braunen Kupferton. Alsbald färbt sich der Thorax rosa und das Abdomen schwarz-blau. Erwachsene Weibchen treten dann in einer grünen und einer blauen Variante auf. Die postokularen Flecken sind tropfenförmig und am unteren Rand auffällig gezahnt. Der Hinterrand der Vorderbrust, das Pronotum, ist wellenförmig, mit einem kleinen Zipfel in der Mitte. 

 

Coenagrion ornatum ist eine Fließgewässerart und lebt bevorzugt an schmalen, sonnigen und langsam fließenden Bächen und Gräben. Diese liegen zumeist im offenen Grünland und zwischen Ackerbauflächen. Begradigte und mittig eingetiefte Gräben werden besiedelt, sofern sie sauberes Wasser führen, nicht mehr als 1,5 Meter breit und bis 40 Zentimeter tief sind. Die Fließgeschwindigkeit sollte sehr langsam sein, etwa 1 bis 20 Zentimeter pro Sekunde. Beeinflussungen der Gräben durch Grund- oder Quellwasser sind vorteilhaft.  Durch eine vollständige Besonnung der Habitate ist eine Erwärmung des Wassers von bis deutlich über 20°C ein wichtiger Aspekt für eine Besiedelung. Ferner sollten die Fließgewässer über den Winter größtenteils eisfrei bleiben oder zumindest nicht bis zum Grund zufrieren.

 

Die Ufer können eine hohe und relativ dichte Vegetation bilden. Kleine, offene Wasserflächen müssen jedoch vorhanden sein. Darüber hinaus  sollten die Gewässer mit der winterharten Berle (Schmalblättiger Merk), Berula erecta, oder der Wasserminze, Mentha aquatica, bewachsen sein, da die Weibchen an diesen Pflanzen ihre Eier ablegen. Weitere Erkenntnisse ergaben, dass auch der Wasser-Ehrenpreis, Veronica beccabunga, und einige weitere Wasserpflanzen als Eiablagesubstrat angenommen werden.

 

 

Die Schlupfperiode der Vogel-Azurjungfer beginnt in der zweiten Hälfte des Mai. Kurz nach der Imaginalhäutung verlassen die jungen Schlanklibellen das Brutgewässer und fliegen über angrenzende, ungemähte Wiesen. Hier verbringen sie den größten Teil ihrer Reifezeit. Die Gräser stellen das  Jagd- Ruhe und Reifehabitat dar. Außerdem suchen die Imagines hier während Schlechtwetterperioden Schutz. 

 

Während der Hauptflug- und Fortpflanzungszeit erscheinen die Tiere wieder am Gewässer. Tagesphänologisch sind sie dort bei entsprechend guter Witterung von etwa 10.00h bis 16.00h aktiv.

 

Nach der morgendlichen Jagd besetzen die Männchen die aus dem Wasser ragende (emerse) Vegetation im Bachbett oder an den Rändern und fliegen hin und wieder kleine Patrouillen über den offenen Wasserflächen, wobei sie aktiv nach Weibchen suchen. Diese erscheinen etwa um die Mittagszeit am Bachlauf. Einfliegende Weibchen werden von den Männchen an der Vorderbrust ergriffen und zu einem nahegelegenen Sitzplatz abgeschleppt. Erst jetzt befüllt das Männchen mit dem angekoppelten Weibchen sein Kopulationsorgan mit Spermien. Sodann kommt es zur eigentlichen Paarung, die wie bei allen Libellen im Paarungsrad erfolgt. Da die Populationen der Art in einem Habitat im Allgemeinen nie sehr groß ist, kann das Männchen es sich nicht leisten, seine Partnerin nach der Paarung loszulassen. Das Risiko, dass es anschließend von einem noch unverpaarten Männchen erneut zu Paarungszwecken ergriffen würde ist hoch. Um sicher zu gehen, dass seine eigenen Gene an die nächste Generation weitergegeben werden, bleibt das Männchen mit seinem Weibchen in Tandemformation verbunden. So fliegen beide anschließend zur Eiablage.

 

Bei der Eiablage taucht das Pärchen in Tandemformation vollkommen ab, indem es langsam rückwärts am Pflanzensubstrat hinabklettert. Dabei taucht das Weibchen seinen Hinterleib als erstes ins Wasser. Anschließend zieht es das Männchen mit hinunter. Die Tauchgänge zur Eiablage können bis zu 45 Minuten andauern.

 

 

Trotz großflächiger benachbarter Wiesen von besiedelten Bächen und in deren Verlauf gleichbleibenden Bedingungen sind die eigentlichen Lebensräume von Coenagrion ornatum sehr begrenzt und analog zu einer Population relativ klein, was das Auffinden der Art erheblich erschwert. So ist es zum Beispiel möglich, dass ein Wiesenbach von mehr als einem Kilometer Länge nur an einem bestimmten Abschnitt auf etwa  50 Metern von der Art besiedelt wird. Außerhalb dieses Habitats können nur ganz selten Einzeltiere angetroffen werden.

 

 

Die Flugzeit der Vogel-Azurjungfer dauert vom Mitte Mai bis Anfang August. Der europäische Verbreitungsschwerpunkt der Vogel-Azurjungfer ist größtenteils unzusammenhängend. Es existieren Vorkommen in der Ukraine, im Südosten und Nordwesten des Balkans sowie in Ungarn, Moldawien und Rumänien. Kleine Populationen kann man, wenn auch selten, in Zentralfrankreich, Polen und Österreich finden.

 

Coenagrion ornatum ist offensichtlich eine Art des Tieflandes, da sie bisher nur in Lebensräumen, die nicht über 500 Metern über NN. Liegen gefunden wurde. In der Schweiz gilt die Art bereits als ausgestorben.

 

In Deutschland gibt es nur noch sehr wenige bodenständige und inselartige Vorkommen in Baden-Württemberg, Bayern, der Pfalz und im Norden von Nordrhein-Westfalen. Die sehr seltene Vogel-Azurjungfer wird in der Roten Liste in der Stufe 1 = „Vom Aussterben bedroht“ geführt. Die Populationen sind im Allgemeinen, wie schon angedeutet, sehr klein und bestehen zumeist aus etwa 50 Individuen.

 

Ursachen, die das Aussterben der Art in Mitteleuropa begünstigen können, sind eine übermäßige Düngung der an die Lebensräume angrenzenden intensiv bewirtschafteten Agrarflächen, was eine Eutrophierung der Gewässer mit sich bringt, regelmäßige, maschinelle Säuberungen und Aushebungen der Gräben und Bäche sowie eine zu starke Verbuschung durch unterbleibende Pflegemaßnahmen.

 

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