Das Leben im Wasser:
Spannende Einblicke in das larvale Leben der Libellen
Einleitung
Libellen gehören zu den hemimetabolen Insekten und damit zu einer Tiergruppe, bei der sich die Larve anhand ihrer Größe von der Imago unterscheidet. Im Gegensatz zu den holometabolen Insekten fehlt bei ihnen bei der Verwandlung das für viele andere Insektenarten typische Puppenstadium. Die Larve ist nicht nur durch ihre geringere Größe deutlich von der Imago zu unterscheiden. Aus zoologischer Sicht besteht der auffälligste Unterschied zwischen der Larve und dem adulten Tier erst durch die bei der Imaginalhäutung erscheinenden Flügel. Dies erklärt sich unter anderem auch aus den sehr unterschiedlichen Lebensweisen beider Formen. Die Libellen sind flugtüchtige Landtiere, ihre Larven dagegen im Verborgenen lebende Wasserbewohner, die selbst der aufmerksame Naturbeobachter nur höchst selten zu sehen bekommt. In dieser Rubrik möchten wir im Folgenden an Beispielen von drei Libellenfamilien, den Edellibellen, Aeshnidae, den Schlanklibellen, Coenagrionidae, und des Segellibellen, Libellulidae, einige Eindrücke aus dem Leben im Verborgenen vermitteln
Kapitel 1
Am Anfang war das Ei
Die Libelleneier gelangen auf unterschiedliche Art und Weise in das Wasser. Die Weibchen der großen Edellibellen und jene der kleinen Schlanklibellen praktizieren die sogenannte endophytische Eiablage, bei der die Eier mittels eines Legebohrers vertikal oder horizontal in totes oder lebendes Pflanzensubstrat eingestochen werden.
Andere Arten, wie die Flussjungfern, Gomphidae, die Falkenlibellen, Corduliidae, und auch die Segellibellen, Libellulidae wenden die exophytische Eiablage an, bei der die Eier einzeln, paarweise oder in Ballen über Land, den Uferzonen von Teichen oder über offenem Wasser abgeworfen oder abgestreift werden.
Aus den Eiern schlüpfen nach einigen Wochen - oder artspezifisch nach einer Überwinterung - die Larven. Diese durchlaufen mehrere Entwicklungsstufen, je nach Art bis zu 14 Stadien, die jeweils durch eine Häutung abgeschlossen werden. Die Dauer des larvalen Stadiums einer Libelle übertrifft jenes des daraus hervorgehenden Fluginsektes (Imago) in der Regel um ein Vielfaches. Der Zeitraum, die einzelne Arten als Larve im Wasser verbringen, reicht in Mitteleuropa von etwa drei Monaten wie etwa bei der Frühen Heidelibelle, Sympetrum fonscolombii, bis zu fünf bis sieben Jahren bei den Quelljungfern, Cordulegastridae.
Kapitel 2
Aufbau der Larven
Der „Bauplan“ von Libellenlarven und Imagines gleicht sich im Grunde genommen. Dennoch weisen die Larven einige Besonderheiten auf, auf die im Folgenden etwas näher eingegangen werden soll.
Die Facettenaugen der Larven sind deutlich kleiner als die der Imagines. Sie setzten sich wie bei den fertigen Libellen aus Einzelaugen zusammen, deren Anzahl sich nach jeder Häutung erhöht. Dabei kommen aufgrund ihrer Lebensweise passiv jagende Larven, wie zum Beispiel jene der Fluss- und Quelljungfern, mit weniger Einzelaugen aus, als aktiv jagende Larven, wie die der Edellibellen. So verfügt eine junge Larve einer passiv jagenden Quelljungfer gerade einmal über 7 Einzelaugen. Die Larve der Großen Königslibelle verfügt in ihrem letzten Larvenstadium über etwa 8.000 Einzelaugen. Bis zur Imaginalhäutung erhöht sich diese bei beiden Arten auf ca. 40.000, die zusammen die beiden Komplexaugen bilden.
Eine Larve eines Männchens der Großen Königslibelle, Anax imperator, bei der aktiven Jagd nach Zuckmückenlarven. Ihre Facettenaugen leisten hierbei gute Dienste.
2.1: Die Fangmasken
Ein Libellenlarvenspezifikum ist die sogenannte Fangmaske, die zur Ergreifung von ins Schema passenden Beutetieren dient. Sie wird aus der verlängerten Unterlippe, dem Labium gebildet und besteht aus insgesamt 3 Teilen: Dem Basalglied, Submentum, dem Mittellappen, Praementum, und den paarigen Fanghaken, den Labialpalpi, an deren Ende sich je ein spitzer Zahn befindet. Diese Teile bilden zusammen das Mentum (lat.) = Kinn. Alle Elemente, auch der Zahn, sind gelenkig miteinander verbunden. In Ruhestellung wird die Fangmaske unter den Kopf und die Brust geklappt. Die Fanghaken sind dabei an die Maske angelegt.
Schematische Darstellung einer ausgeklappten Fangmaske am Beispiel einer Torf- Mosaikjungfer, Aeshna juncea, nach Bellmann, 1987 (geändert):
Fh = Fanghaken
Pm = Praementum
Sm = Submentum
Z = beweglicher Zahn
Zum Beutefang wird die gesamte Konstruktion mit hoher Geschwindigkeit nach vorne geschnellt. Diese Bewegung wird größtenteils hydraulisch erzeugt. Durch rasches Kontrahieren der Dorsoventral - (Brust und Bauch) Muskeln, vor allem im Hinterleib, wird bei gleichzeitigem Schließen der Analklappen das Körpervolumen plötzlich verengt. Der Körperinnendruck wird nach vorne geleitet, sodass sich die Fangmaske, ähnlich einer Kinderrollpfeife, die aufgeblasen wird, nach vorne ausstreckt. Muskeln in der Fangmaske selbst unterstützen diese Bewegung. Die Vorwärtsbewegung zum ergreifen der Beute dauert nur 100 bis 200 Millisekunden. Je höher die Wassertemperatur ist, umso schneller kann die Fangmaske agieren. Während dieser extrem kurzen Zeit sind sogar noch Richtungskorrekturen möglich, um potentielle Opfer als Nahrung zielsicher zu erbeuten. Mit den kräftigen Muskeln welche die beiden Fanghaken unterstützen, kann auch sich heftig wehrende Beute problemlos festgehalten werden.
Die Rückwärtsbewegung erfolgt durch eine schnelle Lockerung der Fangmaskenmuskulatur sowie durch eine Entspannung der Brust- und Bauchmuskeln, wodurch sich das Körpervolumen erweitert und die Fangmaske sozusagen „zurückgesaugt“ wird. Der Vorgang des Einholens des Beutegreiforgans verläuft demnach logischer Weise umgekehrt zu dem des Vorschnellens.
Die folgenden Bilddokumente zeigen Fangmasken von Edellibellen anhand von Exuvien gesamthaft, sowie im Detail. Die entsprechenden Erläuterungen sind jeweils unter den einzelnen Bilddokumenten nachzulesen.
Die obige Aufnahme zeigt eine in Ruhestellung befindliche Fangmaske der Torf- Mosaikjungfer, Aeshna juncea. Das Mentum liegt flach unter dem Kopf an. Die zusammengelegten Fanghaken mit ihren spitzen Zähnen sind zu erkennen. Die Funktionen der Fangmaske lassen sich selbst auch noch bei Exuvien nachvollziehen, indem man sie vorsichtig mit Hilfe einer Pinzette nach vorne zieht.
Das Mentum der Fangmaske nach der Isolation von der Exuvie. Im vorderen Teil erkennt man die beiden in sich ruhenden Fanghaken. An den Rändern sowie im hinteren Bereich tritt die durch Wölbungen sichtbare, kräftige Muskulatur hervor.
Der vordere Teil des Mentums ermöglicht einen detaillierten Blick auf die Fanghaken, die extrem beweglich sind und sich beim Beutegriff weit auseinander dehnen können. Für ein Beutetier, das mit diesen Dolchen ergriffen wird, gibt es kein Entkommen.
Bei Großlibellen unterscheidet man den flachen „Tellermaskentyp“ der Edellibellen (Aeshnidae) und der Flussjungfern (Gomphidae) vom „Helmmaskentyp“ der übrigen Arten. Die Fangmasken der Kleinlibellen nehmen eine Zwischenstellung ein. Bei der Tellermaske ist die gesamte Konstruktion flach. Bei der Helmmaske sind die einzelnen Bestandteile schüsselartig gewölbt und decken große Teile des Vorderkopfes ab. Auch diese Fangmasken sind hoch beweglich und sehr schnell. Hier zu sehen am Beispiel einer unpräparierten Exuvie der Zweigestreiften Quelljungfer, Cordulegaster boltonii.
Die unregelmäßigen Zacken des Prämentum-Vorderrandes sind sehr schön zu erkennen. Mit Hilfe dieser sägezahnartigen Werkzeuge können selbst hart gepanzerte Beutetiere wie die als Hauptnahrung dienenden Bachflohkrebse mühelos geknackt werden. Bachflohkrebse können von anderen Libellenlarven kaum erbeutet werden.
Das Foto oben zeigt die offene Helm-Fangmaske einer Frisch gehäuteten Larve des Vierflecks, Libellula quadrimaculata. Die Beutefanginstrumente werden von den Larven nach jeder Häutung einem gründlichen Funktionstest unterzogen.
Die Fangmasken der Kleinlibellen nehmen eine Zwischenstellung ein.
Auf diesem Foto sind einige Details des nur etwa 2,5 Millimeter großen Beutefanginstrumentes gut zu erkennen. Vorne befinden sich die spitzen Fangzähne, die Labialpalpi, und in der Mitte des Mentums sind spitze, reusenartige Dornen zu sehen, welche die Beute zusätzlich festhalten können.
2.2: Die Larvenkörper
Viele Großlibellenlarven besitzen kräftige abdominale Dornen auf dem Rücken „Medio“-Dorsaldornen und an den Flanken der letzten Hinterleibssegmente „Lateraldornen“. Ihre Anzahl und Ausprägung sind wichtige Bestimmungsmerkmale bei Larven und Exuvien. Starke Rückendornen findet man zum Beispiel bei Larven, die sich auf das Leben auf Pflanzensubstraten in ihrer Eigenschaft als Ansitzjäger spezialisiert haben. Die Bedornung wirkt sehr effektiv als Fraßschutz vor Prädatoren wie etwa Fischen. Eine besonders kräftige Bedornung weisen die Larven des Zweiflecks, Epitheca bimaculata, auf, wie hier am Beispiel einer Exuvie der Art zu sehen ist.
Raubfische, wie Hecht oder Forelle spucken diese hart gepanzerten und mit scharfen Dornen bestückten Falkenlibellenlarven gleich wieder aus, wenn sie mit ihren Dornen in Berührung kommen.
Andere Larven, wie zum Beispiel einige Flussjungfernarten, kommen aufgrund ihrer versteckten Lebensweise vollkommen ohne eine Bedornung aus.
Wie diese Larve der Asiatischen Keiljungfer, Stylurus flavipes, welche während ihrer drei- bis vierjährigen Entwicklung die meiste Zeit im Sand eingegraben verbringt.
Bei Großlibellen hat sich der Hinterleib, insbesondere der Enddarm zu einem äußerst leistungsfähigen Organ entwickelt.
Der zur Atmung dienende Darmabschnitt wird der Länge nach von 6 Doppelreihen mit jeweils zahllosen, dünnen Kiemenblättchen durchzogen, die die Larve mit Sauerstoff versorgen. Zum Gasaustausch wird mit Pumpbewegungen des Abdomens Wasser in das Darmlumen eingesaugt und nach einer Filterung wieder ausgestoßen. Wird das Wasser durch kräftige Kontraktion (zusammenziehen) der abdominalen Dorsoventral-(Brust und Bauch) Muskulatur unter hohem Druck ausgepresst, erzeugt der scharfe Wasserstrahl eine hohe Vortriebskraft, welche die Libellenlarve wie eine „Rakete“ nach vorne treibt. Auf diese Weise kann eine Großlibellenlarve binnen Sekunden mehrere Meter im freien Wasser zurücklegen. Diese Fähigkeit kommt beim Beutefang gleichermaßen zum Einsatz wie bei der Flucht vor Prädatoren.
Das Hinterleibsende, die sogenannte „Analpyramide“ ist bei Großlibellenlarven in der Form ausgebildet, dass insgesamt 5 Stacheln nach hinten weisen. Die Analpyramide hat mehrere Funktionen: Die stark skelerotisierten (gehärteten) Spitzen können als Waffe eingesetzt werden, die Fressfeinden oder sich vehement wehrender Beute in den Leib gerammt werden. Lange, kaum sichtbare Haare auf den Innenseiten der einzelnen Stacheln dienen als Schmutzfilter und verhindern so das Eindringen von Schmutzpartikeln beim Einsaugen von Atemwasser. Bei älteren Larven können die Stacheln zusammengelegt werden, sodass sie eine Art „Schnorchel“ bilden, die das Atmen von atmosphärischem Sauerstoff ermöglicht, indem das Hinterleibsende aus dem Wasser kopfüber herausgestreckt wird.
Zwei Larven der Großen Königslibelle, Anax imperator, unterstützen sich, bäuchlings aneinandergeschmiegt, gegenseitig bei der Atmung von atmosphärischem Sauerstoff. Dazu durchbrechen sie mit ihren Analpyramiden die Wasseroberfläche. Durch diese Art der Atmung wird das Überleben in nahezu sauerstofffreiem Wasser möglich. Junge Großlibellenlarven sowie jene von Kleinlibellen jeglicher Entwicklungsstufe sind hierzu nicht in der Lage.
Kleinlibellenlarven können dies wegen ihres völlig anders konstruierten Hinterleibes mit außen liegenden Atmungsorganen in Form von Kiemenplättchen, den Procten, nicht.
Bei Larven in fortgeschrittenen Entwicklungsstadien erkennt man auf dem Rücken ein rucksackartiges Gebilde, wie hier bei einer Larve der Großen Königslibelle, Anax imperator, schön zu erkennen ist.
Hierbei handelt es sich um die vier Flügelanlagen, die kurz vor der Metamorphose bis über den Hinterrand des fünften Abdominalsegmentes reichen können und der fertigen Libelle nach Vollendung ihres Schlupfes eine Flügelspannweite von bis zu 11 Zentimetern verleihen.
Kapitel 3
Die larvale Entwicklung
Verfolgen wir nun die larvale Entwicklung dreier Libellenarten durch ihre verschiedenen Stadien.
3.1 Die Große Königslibelle, Anax imperator
Die folgende Aufnahme zeigt eine Junglarve der Großen Königslibelle. Nach einigen, bis zu diesem Zeitpunkt erfolgten Häutungen, hat sie eine Größe von 15 Millimetern erreicht.
Nach einer weiteren Häutung hat die Larve ihr gestreiftes Jugendkleid, das zu ihrer Tarnung diente, verloren. Sie ist nun um 5 Millimeter gewachsen und weist nun schon eine Körperlänge von 20 Millimetern auf.
Jedes Entwicklungsstadium wird mit einer Häutung abgeschlossen, da der harte Chitinpanzer nicht mitwachsen kann. Ein solcher Prozess ist nur von sehr kurzer Dauer und vollzieht sich binnen ein bis zwei Minuten.
Die Häutungen zwischen den einzelnen Larvenstadien geschehen ähnlich der finalen Imaginalhäutung. Die alte Larvenhaut platzt unmittelbar hinter dem Kopf, an der Thoraxoberseite auf. Dann reißen die Haupttracheenstämme ab und die Larve verlässt ihre alte Hülle. Die Unterschiede liegen darin, dass die Larve sich unter Wasser schnell häutet, während die Metamorphose zur fertigen Libelle an Land stattfindet und gute 4 Stunden in Anspruch nehmen kann.
Frisch gehäutete Libellenlarven erscheinen für kurze Zeit nahezu durchsichtig. Ihr neuer Panzer ist noch sehr weich und benötigt eine gewisse Zeit zum Aushärten. Während dieser Phasen ist sie relativ schutzlos und offenbart hierdurch einen Einblick in ihr Inneres.
Im letzten Entwicklungsstadium schimmert die grüne Farbe der Imago schon durch die Larvenhaut. In wenigen Stunden wird die Larve das Wasser verlassen, um zur Libelle zu metamorphisieren. Da sie schon vor einiger Zeit die Nahrungsaufnahme eingestellt hat, braucht die unter ihr Deckung suchende Larve des Vierflecks, Libellula quadrimaculata, sie nicht mehr zu fürchten.
Aus einer 55 Millimeter großen Larve ist eine etwa 85 Millimeter große Imago geschlüpft, die eine Flügelspannweite von bis zu 110 Millimetern aufweist. Trotz diesen imposanten Dimensionen wiegt dieses Vollinsekt lediglich 1,1 Gramm.
3.2: Die Hufeisen-Azurjungfer, Coenagrion puella
Die Gesamtentwicklungszeit der Larven der Hufeisen-Azurjungfer ist einjährig, wobei eine Überwinterung in einem larvalen Stadium erfolgt. Die Schlupfzeit zur Imago liegt in den Monaten Mai bis Anfang August.
Mit den Kiemenplättchen, den Procten, am Hinterleib, ist sie 18 Millimeter lang und am Kopf bis zu 2,5 Millimetern breit. Neben der Grünen Variante tritt bei dieser Art auch noch eine braune Farbmorphe auf.
Auch bei den Schlanklibellen vollzieht sich der Häutungsprozess binnen weniger Minuten. Es folgen nun einige Bilddokumente dieses Vorgangs.
Auch wenn im Laufe des Larvenlebens einige Kiemenplättchen verlorengehen, ist dennoch eine weitere Atmung unter Wasser möglich.
Eine Larve der Hufeisen-Azurjungfer, Coenagrion puella, hat zwei ihrer Procten eingebüßt, ist aber dennoch unter Wasser lebensfähig. In ihrem letzten Entwicklungsstadium stellen auch die Kleinlibellenlarven die Futtersuche ein und bereiten sich auf die Verwandlung zur fertigen Libelle vor.
Hierzu erklettern sie oft akrobatisch ein für die Imaginalhäutung geeignetes Schlupfsubstrat, bis ein Platz zur Verwandlung gefunden ist.
Nach erfolgter Verwandlung ist aus einer 18 Millimeter großen Larve eine etwa 35 Millimeter große Schlanklibelle geschlüpft.
3.3: Die Große Heidelibelle, Sympetrum striolatum
Die Eier der Großen Heidelibelle werden relativ spät im Jahr gelegt. Daher überwintert die Art auch als Ei. Im zeitigen Frühjahr, je nach Witterung und Wassertemperatur, in der ersten Märzhälfte, schlüpfen dann die Larven.
Die Eier, die winzigen Kaffeebohnen ähneln, haben eine Größe von 0,3 Millimetern. Die aus ihnen schlüpfenden Prolarven entwickeln sich rasch zu Junglarven und sind zu Beginn lediglich 1,5 Millimeter groß. Bis zum Ende ihrer larvalen Entwicklung werden sie durch zahleiche Häutungen ihre Größe mehr als verzehnfachen.
Die Aufnahme oben zeigt zwei Junglarven der Großen Heidelibelle zu kurzen Dokumentationszwecken in einer Petrischale. Als Unterlage dient ein weißes Küchentuch. Das Foto unten erlaubt einen interessanten Größenvergleich im zweiten Stadium, kurz nach der ersten Häutung.
Bei einem guten Nahrungsangebot und einer warmen Umgebung entwickeln sich die Larven recht schnell. Bereits nach wenigen Wochen messen die Tiere in ihrer Körperlänge 15 Millimeter.
Die Häutungen zwischen den einzelnen Entwicklungsstadien gehen, wie bei allen anderen Arten auch, sehr schnell vonstatten. Ist die Larve ihrer alten Haut entstiegen, benötigt sie ebenso einige Zeit zur Aushärtung ihres neuen Panzers. Während dessen muss sie vor möglichen Fressfeinden besonders auf der Hut sein.
Bei der frisch gehäuteten Larve sind viele innere Organe zu erkennen. Alle Gliedmaßen - insbesondere die Fangmaske – werden auch hier auf ihre einwandfreie Funktion überprüft.
So hell und weich wie sie jetzt ist, sucht sie sich ein halbwegs sicheres Versteck, um dort eine Weile zu verharren und ihren Leib auszuhärten.
Die Larve befindet sich jetzt in ihrem letzten Entwicklungstadium. Seit dem Schlupf aus dem Ei sind gut 3 Monate vergangen. Ihr Körper hat sich wieder verfestigt und ist gut nachgedunkelt. In den kommenden Tagen wird sie sich auf ihre Imaginalhäutung vorbereiten und das Wasser für immer verlassen.
Nach insgesamt 97 Tagen ist die larvale Entwicklung abgeschlossen. Die Larve der Großen Heidelibelle hat sich nun ein stabiles Holz als Schlupfsubtrat ausgesucht, An diesem wird sie nun empor klettern und sich binnen ca. 3,5 Stunden in eine abflugfertige Libelle verwandeln.
Kapitel 4
4.1: Verhaltensweisen
Libellenlarven gelten im Allgemeinen als sehr gefräßig und je nach Art als mehr oder weniger aggressiv untereinander. Gelegentlich kommt es zu Kannibalismus, wobei hier besonders auf den Verzehr von Artgenossen hingewiesen werden muss. Frisch gehäutete und somit eine Zeit lang hilflose Libellenlarven können dabei leicht zu Opfern ihrer Artgenossen werden. Wenn eine Larve, die einer anderen Art angreift und verzehrt, handelt es sich um eine „normale“ Räuber - Beute - Beziehung. Droht ein Gewässer auszutrocknen, ermöglicht oft nur der Kannibalismus das Überleben einer Lokalpopulation. In solchen Situationen verhalten sich einige Arten sehr unterschiedlich. Die Larven der Teichjungfern, Lestidae, gelten vom ersten Larvenstadium an als höchst aggressiv zueinander. Auch wenn sie in vergleichsweise großen Gewässern leben und ausreichend Platz haben, fressen sie sich gegenseitig auf. Im Gegensatz hierzu sind Larven der Arktischen Smaragdlibelle, Somatochlora arctica, die oft zu vielen Individuen in sehr kleinen Moorlöchern leben müssen, äußerst friedliebend.
Die Autoren konnten unter nahezu natürlichen Bedingungen beobachten, dass sich Larven des Vierflecks, Libellula quadrimaculata, so gut wie möglich „aus dem Weg gehen“ und eine jede ein Versteck aufsucht. Kam es während der Nahrungssuche zu Begegnungen, griffen sich die Tiere gegenseitig an, wobei zumeist eines das Opfer des anderen wurde.
Ein vollkommen anderes Verhalten legen indes ältere Larven der Großen Königslibelle, Anax imperator, an den Tag. Dieses geht über eine gegenseitige Friedfertigkeit weit hinaus.
Die beiden Individuen - es handelt sich um die Larven zweier Männchen - gehen gemeinsam auf die Jagd und erbeuteten dabei individuell Röhrenwürmer, Kaulquappen, Schnecken und Mückenlarven, ohne das es auch nur zu geringsten Aggressionen kommt. Außerhalb der „Jagdzeiten“ widmen sich die Tiere offensichtlich gegenseitiger Protektion und sogar einer Art Körperpflege.
Da nach den Erkenntnissen der Autoren in der Fachliteratur über derartige Verhaltensweisen nirgendwo berichtet wird, sind sie, aufgrund ihrer eigenen Beobachtungen hinsichtlich dieser Verhaltensweisen, zurückhaltend orientiert. Andererseits weisen die hier gezeigten Bilddokumente auf ein Sozialverhalten hin, welches bei Larven dieser Tiergruppe de facto noch nicht publiziert oder dokumentiert werden konnte.
4.2: Widerstandsfähigkeit und Überlebensstrategien
Den Larven der meisten Libellenarten wird eine ausgeprägte Gefräßigkeit unterstellt. Wird jedoch, besonders bei Larven mit einer mehrjährigen Entwicklungszeit etwa jahreszeitlich bedingt das Nahrungsangebot knapp, so können sie für eine relativ lange Zeit ohne Schaden zu nehmen hungern. Die Larve einer Großen Pechlibelle, Ischnura elegans, kann bis zu 40 Tagen ohne Nahrung auskommen. Großlibellenlarven sind in der Lage, ganze 3 Monate ohne Nahrungsaufnahme zu überleben.
Junge Larven reagieren etwa bis zum Erreichen ihres 6. Stadiums äußerst sensibel auf ihre Umwelt, da sie zum Teil recht spezifische und vielschichtige Ansprüche an ihren Lebensraum stellen. Geringe Abweichungen von den Optimalwerten, zum Beispiel durch Verschmutzung des Habitats, können eine hohe Mortalität der Junglarven zur Folge haben. Sind die ersten 6 Stadien, welche die empfindlichste Lebenszeit der Larven ist, erst einmal überstanden, werden sie sehr widerstandsfähig.
Viele Libellenlarven sind in der Lage sich auf dem Landweg ein neues Gewässer suchen, wenn ihr Altes auszutrocknen droht.
Auch die Larven von Kleinlibellen sind in der Lage, größere Strecken und Hindernisse über Land schnell zu überwinden.
Ältere Larven mancher Arten überstehen bei ausreichender Adaptionszeit (Anpassung an andere Verhältnisse) ein mehrwöchiges Einfrieren im Eis. Die Blaugrüne Mosaikjungfer, Aeshna cyanea, verträgt mühelos Frosttemperaturen von bis zu minus 5°C. Die Arktische Smaragdlibelle, Somatochlora arctica, und die Alpen-Smaragdlibelle, Somatochlora alpestris, überleben noch bei minus 19°C.
Um das Einfrieren und das damit unweigerlich verbundene Aufplatzen der Körperzellen zu verhindern, besitzen Libellenlarven 2 Möglichkeiten: Als Erste reichern sie die Hämolymphe (Blutflüssigkeit) mit gefrierpunktsenkenden Gefrierschutzproteinen wie zum Beispiel Glycerin, Sorbit und höherwertigen Alkoholen an. Diese dienen als biologische Frostschutzmittel und ermöglichen den Larven einen Unterkühlungspunkt von mindestens minus 15°C zu erreichen. Als zweite Möglichkeit verhindern sie das Einfrieren der inneren Körperzellen, indem sie durch Austritt von Wasser aus den Zellen die osmotische (schubweise) Konzentration und damit den Gefrierpunkt in ihrem Zellinneren erhöhen. Bei einer langsamen Adaption bis minus 10°C kann dabei die Hämolymphe außerhalb der Zellen ohne Schaden für das Tier gefrieren.
Kapitel 5
Jagdszenen
Die Larven der Libellen sind im Allgemeinen gefräßige Räuber, die teils passiv im Bodensediment eingegraben, von einem Ansitz, wie etwa unter der Wasseroberfläche auf Pflanzensubstraten sitzend oder als aktiv im Gewässer umher schwimmende Prädatoren ihre Beute erjagen. Zu diesem Zweck sind sie mit ihren Fangmasken und bedornten Analpyramiden bestens ausgerüstet.
Die Larve der Großen Heidelibelle sitzt, gut getarnt, in der Unterwasservegetation auf einem Ansitz. In wenigen Sekunden wird sie blitzschnell vorstoßen um ein Beutetier zu schlagen.
Binnen Bruchteilen von Sekunden ist der kleine Wasserfloh geschlagen. Mit zunehmenden Alter und Größe können Libellenlarven Beute überwältigen, die ihre eigene Größe noch übertrifft. Kleinlibellen erbeuten hingegen kleinere aquatisch lebende Organismen. Im Bild unten ist zu sehen, wie eine Larve der Hufeisen-Azurjungfer, Coenagrion puella, eine rote Zuckmückenlarve erspäht hat.
Wenige Sekunden danach verschwindet das Opfer langsam zwischen den Beißwerkzeugen der Fangmaske.
Für die Larve einer Großen Königslibelle, Anax imperator, sind Zuckmückenlarven freilich nur ein kleiner Imbiss. Sie stellt in vielen Weihern und Teichen den Topprädator unter den vielen im Wasser lebenden Tieren und ist sogar in der Lage kleine Fische zu erbeuten, die sie mit großem Appetit verzehrt.
Die Gefräßigkeit dieser Edellibellenlarven kennt keine Grenzen. Eigene Beobachtungen ergaben, dass 10 Larven von Anax imperator, die in einem kleinen, etwa 250 Liter fassenden Teich lebten, binnen einer Woche etwa 500 Kaulquappen fraßen.
Neben den bereits genannten und gezeigten Beutetieren stehen bei unseren Studien des „Lebens im Wasser“ noch viele Röhrenwürmer (Tubifex), Schnecken und etliche andere Lebensformen auf dem Speiseplan der Libellenlarven. Ihr „Tisch“ ist stets reich gedeckt. Durch weitere viele Annehmlichkeiten gedeihen sie prächtig und so steht ihrer erfolgreichen Entwicklung bis hin zur fertigen Libelle nichts im Wege.
Kapitel 6
Die Metamorphose
Wie sich diese Verwandlung im Einzelnen vollzieht und wie lange sie dauert, kann in den Rubriken vieler Artenprofile auf den jeweiligen Seiten in der Navigation oben links mit eindrucksvollen Naturdokumenten betrachtet werden. Eine komplette Dokumentation einer Emergenz der Großen Königslibelle mit Zeitangaben findet Ihr hier.
Zum Abschluss des Themas „Das Leben im Wasser“ seht Ihr hier noch eine Aufnahme die beweist, dass Libellenlarven auch hin und wieder recht außergewöhnliche Orte für ihre Verwandlung auswählen.
An diesem Ort schlüpfte zunächst eine Blaugrüne Mosaikjungfer, Aeshna cyanea. Das gleiche Binsenbündel wurde etwas später von einer Larve der Großen Heidelibelle, Sympetrum striolatum, zur Imaginalhäutung erklommen. Sie wählte das Abdomen der Aeshnide als „Schlupfsubstrat“. Beachte den Größenunterschied zwischen den Exuvien der Edellibelle und der kleinen Segellibelle.
Über das vielfältige und teilweise einzigartige Leben der Imagines und ihre von Seiten des Betrachters manchmal unglaublichen Fähigkeiten, erfahrt Ihr viel Wissenswertes im Kapitel „Libellen“ in der Menüleiste der Hauptnavigation.
Wir hoffen, dass unseren Lesern dieser Ausflug in die ansonsten verborgene Welt der Libellen gefallen hat, und bedanken uns im Voraus für Eure lobenden oder tadelnden Worte, die ihr dankenswerter Weise im Gästebuch dieser Homepage verfassen könnt.
Bergheim, im Juli 2016,
Euer
„Team Waldschrat-online.de“