Spitzenfleck

Libellula fulva

O. F. MÜLLER, 1764

 

Zur wissenschaftlichen Nomenklatur: „Libellula“: G. Rondelet verwendete das Wort erstmals für Larven von Kleinlibellen, die dem in der Antike so benannten Hammerhai ähneln sollen. (Siehe auch: Plattbauch, Libellula depressa. „fulva“ ist von „fulvus“ (lat.) abgeleitet und bedeutet „rötlichgelb, ockerfarben“. Damit wird die Färbung der Jungtiere beiderlei Geschlechts angesprochen. Der deutsche Artname weist auf die dunklen Flügelspitzen hin.

 

Zunächst folgt eine Diashow vom Schlupf des Spitzenflecks.

 

Die Exuvie des Spitzenflecks weist eine Größe von ca. 23 Millimetern auf. Die Dornen auf dem Rücken sind stark ausgeprägt und reichen von S-3 bis S-9.

 

Libellula fulva ist eine mittelgroße Segellibelle mit einer Flügelspannweite von 7,5 bis 8 Zentimetern. Kennzeichnend für die Art ist die Färbung der Flügelspitzen, die bei den Weibchen immer und bei den Männchen nur gelegentlich schwarz eingefärbt ist. Diese Färbung der Flügel gab der Libelle ihren Namen. Die Tatsache, dass der Spitzenfleck viele markante Merkmale anderer Libellen in sich vereinigt, führt oft zu Verwechselungen mit anderen Arten. So werden junge Exemplare von Libellula fulva aufgrund ihrer auffälligen, schwarz gezackten, sich zum Thorax hin verjüngenden Abdomenzeichnung  oft mit dem Zweifleck, Epitheca bimaculata, verwechselt. Letzterer ist jedoch um einiges größer und  ein permanenter Flieger, während der Spitzenfleck eher ein Kurzstreckenflieger ist und sich öfters niedersetzt. Die Jungtiere sind beide von leuchtend oranger Färbung mit dem beschriebenen Muster auf der Oberseite des Abdomens und nur durch ihre Hinterleibsanhänge (Cerci) zu unterscheiden. Erst später bilden sich beim Weibchen die rauchig schwarzen Flügelspitzen. Die Männchen bilden bis zum Erreichen der Geschlechtsreife eine abdominale, blaue Wachsbereifung aus. Sie können dann leicht mit einem Großen Blaupfeil, Orthetrum cancellatum, verwechselt werden. Diesem fehlt jedoch der an den Hinterflügeln der dreieckige, dunkle Basalfleck, den nicht nur der Spitzenfleck sondern auch der Plattbauch, Libellula depressa, und der Vierfleck, Libellula quadrimaculata, besitzen. Diese weisen ihrerseits wieder ein Abdomen ohne schwarz gezackte Zeichnungen auf. Dadurch, dass sich die erwachsenen Tiere gänzlich voneinander unterscheiden, weist die Art einen Sexualdimorphismus auf.

 

Die Augen der Jungtiere sind zweifarbig waagerecht unterteilt. Die obere Augenhälfte ist braun-beige, und die untere Hälfte blaugrau gefärbt. Ausgewachsene Tiere haben blaugraue Augen. Die Stirn der Männchen ist schwarz, während die der Weibchen rötlich braun gefärbt ist.

 

Vor der Bildtafel unten, die einige Männchen von Libellula fulva, in diversen Stadien  zeigt, ist ein seltenes männliches Jungtier mit stark ausgeprägten, dunklen Flügelspitzen zu sehen.

 

Männchen der Art mit derartig ausgeprägten schwarzen Flügelspitzen sind nur sehr selten zu beobachten.
Männchen der Art mit derartig ausgeprägten schwarzen Flügelspitzen sind nur sehr selten zu beobachten.

 

Männchen von Libellenarten, die bis zum Erreichen ihrer Geschlechtsreife eine blaue Wachsbereifung bilden (Blaupfeile Gattung: Orthetrum, Spitzenfleck oder der Plattbauch, Libellula depressa) werden diese teilweise bei der Paarung wieder los. Die Weibchen, die sich im Paarungsrad mit ihren Beinen am Abdomen der Männchen festhalten, kratzen diese Wachsbereifung teilweise wieder ab. Daraus kann man schlussfolgern,  dass ein Männchen mit einer makellosen, unversehrten Wachsbereifung noch ein „Junggeselle“ ist, bzw. Männchen mit deutlich sichtbaren Abnutzungen sich schon mehrfach verpaart haben. (Siehe Bildreihe oben.)

 

 

Libellula fulva ist ein Relikt der präglazialen Fauna und gilt als pontomediterranes Faunenelement. Die Art besiedelt stehende und extrem langsam fließende Gewässer. Ihr Lebensraum sind sonnige Kleinseen, größere Teiche und Weiher in Waldnähe. Dieser ist als Bedingung nicht zwingend erforderlich. Zumindest sollte jedoch ein kleiner Baumbestand in der Nähe sein.

 

Die diversen Gewässertypen sollten, der Qualität wegen, eine Grundwasseranbindung aufweisen. Die Ufervegetation muss in Form von Schilf und Seggen reichlich und hochwüchsig vorhanden sein.

 

Der Spitzenfleck ist eine Art der Auen und Tieflandebenen. In der Oberrheinischen Tiefebene werden breite und überwiegend nicht sehr flache Gewässer mit offenen Flächen besiedelt. Selten werden auch nicht mehr genutzte Fischteiche und Kiesgrubengewässer als Habitat angenommen. Saure Gewässertypen, wie nährstoffarme Moore und Torfstiche werden von der Art gemieden.

 

 

Ein typischer Lebensraum des Spitzenflecks: Ein sonnenexponiertes, nicht zu großes Stillgewässer mit üppiger Ufervegetation und reichlich Waldbestand in unmittelbarer Nähe. Fischbesatz schein hier eine untergeordnete Rolle zu spielen. Ein wesentlich wichtigerer Faktor ist die gute bis hervorragende Wasserqualität, die ein ausreichendes Nahrungsangebot für die Larven und deren Entwicklung bereit hält.

 

Die Emergenz (Schlupf) der Art erfolgt im optimalen Lebensraum sehr synchron, sodass es zur Hauptabundanz zu regelrechten Massenschlüpfen kommen kann. Diese Phänomene werden hauptsächlich vom lokalen Mikroklima bestimmt. Bis zur Geschlechtsreife entfernen sich die Tiere zumeist vom Gewässer und jagen im Umland Insekten. Die Männchen kommen nach dem Erlangen der Geschlechtsreife, nach 10 bis 14 Tagen, zum angestammten Gewässer zurück, um dort nach Weibchen zu suchen. An warmen Tagen kann man sie schon am zeitigen Morgen gegen 09.00h am Wasser fliegen sehen. Wie für Segellibellen üblich, fliegen sie dabei nur kurze Strecken, um sich einen optimalen Platz als Ansitz zur Jagd und zum Ausguck für Weibchen zu suchen. Dieser befindet sich im Mittelpunkt ihres Revieres. Einfliegende, rivalisierende Artgenossen und  andere Libellen werden sofort attackiert und rigoros vertrieben.

 

Die Bildserie unten zeigt einige  Weibchen des Spitzenflecks, Libellula fulva, in unterschiedlichen Altersstufen.

 

 

Die Weibchen erscheinen fast pünktlich zur Mittagszeit am Gewässer. Bei Sichtung eines solchen fliegt das Männchen von seiner Sitzwarte auf um es im Flug zu ergreifen. An Gewässern mit hoher Artendichte ist der nahe Luftraum binnen Minuten von fliegenden Paarungsrädern gefüllt. Die im Flug beginnende Paarung wird in der nahen Ufervegetation sitzend beendet. Hierbei kann es zu chaotischen und für den Beobachter zu grotesken Situationen kommen. Nicht selten ergreifen die Männchen eine artfremde Libelle wie z.B. den Vierfleck oder den Großen Blaupfeil. Ob Männchen oder Weibchen spielt dabei keine große Rolle. Erst wenn der „Fehlgriff“ seitens des Männchens offensichtlich wird, trennt man sich wieder.

 

Paarungsräder (Kopulae) des Spitzenflecks, Libellula fulva.

 

 

Eine „reguläre“ Paarung dauert mindestens 10 bis 15 Minuten. Selbst zwischen Paarungsrädern kann es zu rivalisierenden Kämpfen kommen. In extremen Situationen zeigt sich die Art dann wieder ökonomisch, indem man mangels Platz ein friedliches Miteinander vorzieht.

 

Nach der Paarung fliegt das Weibchen zur Eiablage auf die offene Wasserfläche, wo es ganz nach Segellibellenart seine Eier unter wippenden Bewegungen im Vorwärtsflug über der Wasseroberfläche abstreift. Die etwa zwei bis sechs Wochen später schlüpfenden Larven benötigen für ihre Entwicklung zum Imago zwei Jahre.

 

Wie alle Libellen lebt der Spitzenfleck räuberisch und fängt seine Beute im Flug. Erbeutet werden dabei Fliegen, Mücken und andere Kleininsekten, worunter auch die ein oder andere Kleinlibelle und hier und da ein Schmetterling fällt.

 

Der Spitzenfleck ist in Europa hauptsächlich nördlich der Alpen verbreitet. Sein Verbreitungsareal erreicht weiterhin Südfrankreich, Norditalien, den Balkan und das nördliche Mittelmeer.

 

Die Art fehlt auf den meisten Mittelmeerinseln, mit Ausnahme Sardinien und Korsika. Ihr Lebensraun erstreckt sich weiter von der Schweiz bis nach Spanien im Westen,  Südrußland im Osten, weiter über die Türkei bis in den Irak. Im Norden bilden der äußerste Süden Englands und der Süden Finnlands die Verbreitungsgrenzen. Die Art ist somit recht weit, jedoch nur inselartig verbreitet. In Deutschland liegt der bedeutende Raum des Spitzenflecks im Rheintal, bzw. in der Oberrheinebene. Gesunde Populationen findet man darüber hinaus in Brandenburg.

 

Das Vorkommen von Libellula fulva an den Villeseen in NRW war einigen Odonatologen schon bekannt. Im Jahr 2011 konnte von den Autoren und dem Libellenexperten Jochen Rodenkirchen Mitte Mai im Gebiet der rekultivierten Tagebaue im Naturpark Kottenforst Ville westlich von Köln eine massive Zunahme der Art in Form eines Massenschlupfes dokumentiert werden. Wenig später gelang uns der Erstnachweis der Art im rechtsrheinischen Raum der Kölner Bucht. Zeitgleich meldete ein junger Nachwuchsforscher erste fotografische Nachweise der Art im Gebiet der Teiche in einem Staatsforst bei Siegburg Stallberg.

 

Die Tatsache, dass es sich hierbei um Jungtiere handelte, lässt den Schluss zu, dass sich die Art hierorts bereits erfolgreich reproduziert hat. Der endgültige Beweis der Bodenständigkeit, nämlich der Nachweis von Exuvien (leere Larvenhüllen) ist noch zu erbringen. Weitere Vorkommen in NRW sind derzeit nicht bekannt.

 

Die Flugzeit des Spitzenflecks ist nur sehr kurz. Die Art fliegt bei normaler Witterung von Mitte Mai bis Ende Juni.

 

In der Roten Liste wird Libellula fulva für NRW als stark gefährdet (RL: Stufe 2) geführt. Die wenigen bekannten Fundorte und die sich zum Nachteil der Art verändernden Refugien sollten Anlass dazu sein, die Art zu bewahren und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

 

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