Sumpf - Heidelibelle

Sympetrum depressiusculum

SELYS, 1841

Portrait eines männlichen Jungtieres der Sumpf - Heidelibelle, Sympetrum depressiusculum.
Portrait eines männlichen Jungtieres der Sumpf - Heidelibelle, Sympetrum depressiusculum.

 

Hinweise zur wissenschaftlichen Nomenklatur: „Sympetrum“ ist eine Wortkombination, zusammengesetzt aus „sym-piezein“ (gr.) = „zusammen-gedrückt“ und „êtron“ (gr.) = Unterleib. Vermutlich wegen dem seitlich zusammengedrückten Abdomen. „depressiusculum“ ist die Verkleinerungsform der ersten Steigerungsstufe, abgeleitet von „depressus“ lat. „flachgedrückt“. Bezugnehmend auf das leicht abgeflachte Abdomen  der Tiere. Der deutsche Artname nimmt Bezug auf den favorisierten Lebensraum.

 

 

Die Sumpf-Heidelibelle, Sympetrum depressiusculum, kann von den 9 im Land Nordrhein-Westfalen vorkommenden Heidelibellenarten neben der Gebänderten Heidelibelle, Sympetrum pedemontanum, mit der sie nahe verwandt ist, wohl als die schönste Heidelibellenart bezeichnet werden. Beide Arten haben auch ihren eigenen Flugstil. Beim Fliegen schimmern die Flügel der Sumpf-Heidelibelle golden.

 

Die zu den Segellibellen zählende Sumpf-Heidelibelle weist eine Flügelspannweite von 5 bis 6 Zentimetern auf. Die durchschnittliche Körperlänge liegt bei 3 bis 3.5 Zentimetern. Im Jungstadium erscheinen beide Geschlechter in einem dunkelgelben Farbton. An den Seiten der Hinterleibssegmente 3 bis 8 befinden sich kleine, schwarze Keilflecken, die mit der Spitze nach vorne zeigen. Diese markante Zeichnung verliert sich mit zunehmendem Alter der Tiere jedoch wieder. Der Hinterleib der Männchen ist stark abgeflacht und im hinteren Drittel des Abdomens keulig verdickt. Heranwachsende Männchen sind an einem seitlich des sich langsam ins rötliche verfärbenden Abdomens senkrecht verlaufenden gelben Streifen zu erkennen. Dieser verschwindet mit dem Erreichen der Geschlechtsreife. Dann erscheinen die Männchen mit einem leuchtend roten Hinterleib. Die Weibchen behalten ihre ockerfarbene gelbe Färbung weitestgehend bei. Lediglich im Alter wirkt diese etwas dunkler. Die Legeklappe der weiblichen Tiere liegt im Gegensatz zu anderen Heidelibellenarten eng am Hinterleib an und ist somit kaum zu erkennen. Die Beine der Art sind, wie die der Blutroten Heidelibelle, Sympetrum sanguineum, vollkommen schwarz. Die Flügeläderung unterscheidet sich gegenüber anderen Sympetrum-Arten durch die sehr hohe Dichte der Flügelzellen.

 

Die folgende Bildtafel zeigt Sequenzen vom Schlupf eines Weibchens.

 

 

Bis vor einigen Jahren galt Sympetrum depressiusculum als Charakterart dynamisch überschwemmter Verlandungszonen diverser Gewässer. Es erschien für das Vorkommen der Art als überlebenswichtig, dass sich die Feuchtgebiete in ihrer Beschaffenheit permanent verändern müssten. Diese Erkenntnisse gelten mittlerweile als nicht mehr haltbar.

 

Sympetrum depressiusculum besiedelt vorwiegend sommerwarme Sumpfwiesen, warme Verlandungszonen von stehenden Gewässern, Kalkniedermoore, seggenreiche Übergangsmoore und flache Torfstiche. Selten werden Überschwemmungszonen von Flüssen als Habitat angenommen. Seit 1996 führten Untersuchungen von Prof. Dr. Eberhard Schmidt zu dem Ergebnis, dass die Art eine Vorliebe für sonnenbeschienene Fischteiche mit niedriger Ufervegetation entwickelt hat. In den Folgejahren entwickelten sich in derartigen Habitaten Bestände von bundesweiter Bedeutung. In kleineren Moorgebieten tritt die Art gelegentlich als Vermehrungsgast auf, ohne die Möglichkeit sich dort erfolgreich zu reproduzieren.

 

 

Als eine recht späte Art beginnt der Schlupfzeitraum der Sumpf- Heidelibelle erst in der zweiten Julihälfte und erreicht bis Ende August ihren Höhepunkt. Unter sehr günstigen Bedingungen fliegt die Art bis Anfang November.

 

Männchen der Sumpf-Heidelibelle in diversen Altersstadien:

 

 

Drei Wochen nach dem Schlüpfen sind die Tiere geschlechtsreif. Während ihrer Reifezeit entfernt sich die Art nicht sonderlich weit vom angestammten Gewässer. Sympetrum depressiusculum ist sehr wärmeliebend und erreicht ihr Aktivitätsmaximum erst um die Mittagszeit. Sitzplätze zum Sonnenbaden und zum Jagdansitz werden gegenüber anderen Heidelibellenarten sehr häufig in Höhen über 1,5 Meter über dem Boden gewählt. Erst im Herbst, wenn es kühler wird, suchen sie auch bodennahe Sitzwarte z.B. auf Steinen auf. Während den heißen Tagesstunden kann die Art bei längeren Segelflügen, die der Abkühlung dienen, beobachtet werden. Am Nachmittag tritt dann eine Art Aktivitätspause ein, die bis in die frühen Abendstunden andauern kann. Am Abend ist die Sumpf- Heidelibelle wieder in mehrminütigen Flugphasen zu sehen. Zur Nacht suchen die Tiere gemeinsam lichte Schlafplätze auf, wo sie in großer Zahl mit anderen Heidelibellenarten vergesellschaftet die Nacht verbringen. Am Morgen beginnt S. depressiusculum mit vibrierenden Flügeln die Aufwärmphase. Bereits bei Temperaturen von 10° bis 14°C beginnen die Männchen mit Flugaktivitäten. Der morgendliche Jagdflug geht  am späten Vormittag nahtlos in den Suchflug nach Weibchen über. Zwischen den Flügen werden häufig Sitzwarte aufgesucht. Die Männchen zeigen trotz hoher Individuendichte extrem wenig Aggressivität gegenüber Artgenossen. Es scheint also kein direktes Territorialverhalten zu geben.

 

Weibchen der Sumpf-Heidelibelle in diversen Altersstadien:

 

 

Wird ein Weibchen entdeckt, wird es im Flug ergriffen und in Tandemformation zum Gewässer geführt. Hier imitiert das Weibchen zunächst durch wippende Bewegungen eine Eiablage, ohne die Wasseroberfläche zu berühren und Eier abzulegen. Ohne diese vorherige Simulation kommt es nicht zur Radbildung. Dieses Verhalten ist noch nicht hinreichend geklärt. Möglicherweise zeigt das Männchen dem Weibchen den künftigen Eiablageplatz. Erst danach kommt es zur Kopula, dem eigentlichen Paarungsrad, welches im Flug über dem Wasser gebildet wird. Danach fliegt das Paar an Land um die Paarung, die zwischen 5 und 40 Minuten dauern kann, in der Vegetation zu beenden. Die Eiablage ist im Gegensatz zur Paarung nur von kurzer Dauer und findet in Tandemstellung statt. Häufig erfolgen nach der Eiablage weitere Kopulationen. Nur ganz selten können Weibchen bei alleiniger Eiablage beobachtet werden.

 

 

Die folgenden Bilder zeigen die Sumpf-Heidelibelle bei Paarungsaktivitäten. Die Aufnahmen der Tandemformationen wurden am frühen Morgen erstellt. In dem von uns begangenen Habitat fanden wir Dutzende solcher Pärchen an ihren Schlafplätzen. Sympetrum depressiusculum übernachtet also teilweise und nicht selten im Tandem!

 

 

Die Eier werden nach erfolgreicher Kopulation an auf der Wasseroberfläche treibenden Algen abgestreift. Sie überwintern in diesem Stadium. Im zeitigen Frühjahr schlüpfen die Larven, die sich nach mehreren Entwicklungsstufen bis Mitte Juli desselben Jahres zur Imago entwickeln.

 

Die Nahrung wird zum größten Teil im Flug erbeutet. Das Beutespektrum bilden hier Fliegen, Mücken und andere Kleininsekten. Besonderheit: Die Art erbeutet auch oft Streckerspinnen, Tetragnatha extensa, wobei sie in der Lage ist, diese mit Wucht aus ihren Netzen zwischen lichten Pfeifengrasrispen zu reißen, indem sie ihre Beine als Fangkorb benutzt.

 

Die Sumpf-Heidelibelle ist ein ostmediterranes Faunenelement dessen Verbreitung in einem schmalen Streifen vom fernen Osten von Japan, Sibirien und der Mongolei bis nach Mitteleuropa verläuft. Sie besiedelt den nördlichen Balkan, südlich der Alpen den Tessin und Südfrankreich, bis zum Rhonedelta und der Camargue. Nördlich der Alpen kommt sie im bayerischen Alpenvorland, am Bodensee, der Donauniederung und in der Schweiz vor. Die Art fehlt in Spanien, Großbritannien und ganz Skandinavien.  Aus dem restlichen Europa sind nur einzelne Streufunde bekannt.

 

S. depressiusculum hat in den letzten Jahrzehnten außerordentliche Bestandseinbußen erfahren. War sie bis in die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts in Deutschland „sehr verbreitet“, gilt sie heute als extrem selten. Dies ist nicht zuletzt auf den Verlust optimaler Lebensräume zurückzuführen.

 

Trotz des Auftretens in hoher Individuendichte an sehr wenigen Fundorten wird Sympetrum depressiusculum in der Roten Liste gebietsweise als „Stark  gefährdet“ oder als „Vom Aussterben bedroht“ geführt.

 

Aus unserem Bundesland sind nur sehr wenige Fundorte bekannt. An einer Fischteichanlage innerhalb eines Naturschutzgebietes im Münsterland existiert eine Population, die die Autoren nach mehrjährigen, regelmäßigen Begehungen zur Hauptabundanz der Art auf einen Bestand von mehreren Tausend Individuen schätzt. Genauere Angaben den Fundort betreffend, können aus Natur- und Artenschutzgründen nicht gemacht werden.

 

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